Eingewöhnungsmodelle: Berliner vs. Münchener Eingewöhnungsmodell
Welches Eingewöhnungsmodell ist das Beste? Das Münchener Eingewöhnungsmodell? Oder das Berliner Eingewöhnungsmodell? Die Eingewöhnungszeit ist für Eltern und Kind eine sensible und schwierige Übergangsphase. Je nach Charakter und Bindungsverhalten kann es sich anders gestalten und ein unterschiedliches Vorgehen erfordern. Wichtig ist demnach, dass von Seiten der Kita professionell und bedacht an die Situation herangegangen wird. Als Erzieher kannst Du dich dabei am Münchener Eingewöhnungsmodell oder am Berliner Eingewöhnungsmodell bedienen. Um zu wissen, welche für Dich oder die individuelle Familie sinnvoller erscheint, stellen wir Dir hier beide vor. Beide Eingewöhnungsmodelle sind in der Praxis erprobt und in der richtigen Anwendung erfolgreich.
Das Berliner Eingewöhnungsmodell
Beim Berliner Eingewöhnungsmodell handelt es sich um das älteste und am meisten angewandte. Es ist in den 80er Jahren entwickelt worden und hat sich die Hirn- und Bindungsforschung zunutze gemacht. Grundsätzlich geht das Eingewöhnungsmodell davon aus, dass eine Begleitung durch die Eltern oder die nächsten Bezugspersonen in der Anfangsphase unabdinglich ist, um eine sichere Bindung zu den Erziehern in der Kita aufbauen zu können. Auf dieser Basis der sicheren Bindung bauen später auch weitere Entwicklungs- und Bildungsprozesse auf. Generell dauert die Maßnahme je nach Kind ein bis drei Wochen.
Die Eingewöhnung läuft im Berliner Modell fünf Schritten ab:
Schritt 1 im Berliner Eingewöhnungsmodell
Der erste Schritt dient der Vorbereitung. Dabei werden die Eltern oder Bezugspersonen darüber informiert, wie die Eingewöhnung ablaufen wird und dass auf die Mitarbeit und Anwesenheit ihrerseits gezählt wird. Wichtig ist, dass in der gesamten Phase der Eingewöhnung keine anderen großen Veränderungen im Leben des Kindes stattfinden (z.B. ein Umzug), die einen zusätzlichen Stressfaktor bedeuten würden.
Schritt 2 im Berliner Eingewöhnungsmodell
Die ersten drei Tage werden Kind und Bezugsperson etwa zwei Stunden zusammen in der Kita verbringen. Dabei soll die Bezugsperson dem Kind zum einem die nötige Sicherheit bieten und zum anderen dem Kind durch eher passives Verhalten die Möglichkeit geben, mit den Erziehern und den anderen Kindern in Kontakt zu treten. Gleichzeitig kann den Bezugspersonen in den ersten Tagen einen guten Einblick in die Einrichtung, den Tagesablauf und die Arbeit der Fachkräfte gegeben werden.
Schritt 3 im Berliner Eingewöhnungsmodell
Im nächsten Schritt wird ein erster Trennungsversuch unternommen, um entscheiden zu können, wie lang die Eingewöhnungszeit in etwa dauern wird. Im optimalen Fall lässt sich das Kind bei der Trennung von der Bezugsperson beruhigen und kann maximal eine halbe Stunde alleine mit der Fachkraft in der Gruppe bleiben. Ist dem nicht so, sollte nach zwei oder drei Minuten abgebrochen werden. Gleichzeitig sollte in dem Fall ein erneuter Trennungsversuch in die zweite Woche verschoben werden und die Eingewöhnungsphase auf zwei oder drei Wochen verlängert werden.
Wenn das Kind weiterspielt oder nur kurz weint, bis es sich von den Erzieher*innen beruhigen lässt, spricht dies für eine weitere Eingewöhnungszeit von etwa einer Woche.
Lässt sich das Kind jedoch nicht von den Erzieher*innen beruhigen, kehrt das Elternteil schnell wieder in den Raum zurück, um Sicherheit zu vermitteln. Hierbei ist von einer längeren Eingewöhnung von zwei bis drei Wochen auszugehen.
Schritt 4 im Berliner Eingewöhnungsmodell
In diesem Schritt erfolgt die Stabilisierungsphase. Dabei wird das Kind sorgsam beobachtet, während der Zeitraum, in welchem das Kind mit der Fachkraft alleine ist weiter verlängert wird. Gleichzeitig übernimmt der Erzieher immer mehr die alltäglichen Aufgaben wie Wickeln oder Füttern und löst damit die Bezugsperson im Kita-Alltag ab. Ab diesem Zeitpunkt werden die Trennungszeiten täglich verlängert und darauf geachtet, wie das Kind darauf reagiert und wie es sich anschließend verhält. Verläuft der erste Trennungsversuch nicht wie gewollt, sollte mit dem zweiten noch etwas gewartet werden. Eine Pause von circa einer Woche ist ratsam.
Schritt 5 im Berliner Eingewöhnungsmodell
In der Schlussphase des Berliner Eingewöhnungsmodell befindet sich die Bezugsperson nicht mehr in der Kita, ist aber die ganze Zeit über telefonisch erreichbar. Die Eingewöhnung ist erfolgreich, wenn das Kind die Fachkraft als sichere Basis ansieht und sich von ihr trösten lässt. Das Kind wird nun an Gruppenaktivitäten in der Kita teilnehmen, beginnt sich für Spielzeug und andere Kinder zu interessieren!
Das Münchener Eingewöhnungsmodell
Das ebenfalls erprobte Münchener Eingewöhnungsmodell bezieht sich stark auf die Transitionsforschung und wurde in den 90er Jahren entwickelt. Mit Transitionen sind bedeutende Übergange im Leben gemeint, die Veränderungen und Erneuerungen mit sich bringen. Die Transition ist eine Übergangsbewältigung, die das Kind mit Hilfe von nahestehenden Menschen erfolgreich meistern kann. Dabei wird das Kind gestärkt und für zukünftige Übergänge gewappnet. Dadurch ist dieses Modell kindzentrierter, was es gleichzeitig auch zeitaufwendiger macht.
Ein weiterer Unterschied zum Berliner Eingewöhnungsmodell besteht darin, dass nicht eine eingewöhnende Fachkraft die zentrale Bezugsperson für das Kind darstellen muss, sondern dass es zu mehreren Erziehern eine sichere Bindung aufbauen kann.
Der Ablauf unterscheidet sich ebenfalls vom ersten Modell:
Beide Modelle sind in fünf verschiedene Phasen aufgeteilt. Beim Münchener Eingewöhnungsmodell sind das Folgende:
1. Vorbereitungsphase im Münchener Eingewöhnungsmodell
In der Vorbereitungsphase des Münchener Eingewöhnungsmodells werden erste Gespräche mit den Eltern bzw. Bezugspersonen geführt, um sie auf die Eingewöhnung vorzubereiten.
2. Kennenlernphase im Münchener Eingewöhnungsmodell
In der ersten Woche verbringt das Kind zusammen mit der begleitenden Bezugsperson wahlweise die Vormittage oder Nachmittage in der Kita. Dabei kann das Kind die Gruppe und Fachkräfte kennenlernen. Diese Phase gibt den Erziehern die Möglichkeit herauszufinden, worin die Interessen des Kindes bestehen und wie die bevorstehende Trennung am besten gemeistert werden kann. Die Fachkraft übernimmt zunehmend alltägliche Aufgaben und nimmt aktiv Kontakt zum Kind auf.
Interessant: Das Münchener Eingewöhnungsmodell geht davon aus, dass Kinder verschiedene Rituale wie Morgenkreis, Mittagessen oder Ruhezeiten mehrmals durchlaufen müssen, um diese zu verstehen.
3. Sicherheitsphase im Münchener Eingewöhnungsmodell
Auch nach der ersten Woche bleibt das Elternteil mehrere Stunden zusammen mit dem Kind anwesend. Nun werden schrittweise pflegerische Tätigkeiten – also Füttern, Wickeln und Trösten – von den Erzieher*innen übernommen. Zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schon vertraut mit den Erzieher*innen, die deshalb aktiv auf das Kind zugehen können und ihm Spielangebote machen können, die sich am Verhalten des Kindes orientieren. In der Sicherheitsphase finden keine Trennungsversuche statt.
4. Vertrauensphase im Münchener Eingewöhnungsmodell
Bevor diese Phase beginnt, sollten Eltern und Kind bereits mindestens zwei Wochen lang die Kita besucht haben. Nun beginnt die Bezugsperson sich noch weiter zurückzunehmen: Der „Ball“ wird an die Erzieher*innen übergeben. Das Kind weiß mittlerweile, dass es in der Kita sicher und bei den Erzieher*innen gut aufgehoben ist. Hier findet der erste Trennungsversuch statt: Das Elternteil verabschiedet sich vom Kind und kommt für 30 bis 60 Minuten nicht zurück – selbst dann nicht, wenn das Kind weinen und sich nicht beruhigen lassen sollte. Auf diese Weise lernt es, sich den Erzieher*innen anzuvertrauen und sich von ihnen trösten zu lassen. Hat das Kind sich schnell wieder beruhigt, mit anderen Kindern gespielt oder sich den Erzieher*innen zugewandt, gilt die Trennung als erfolgreich. Die Trennungszeit wird dann in den nächsten Tagen verlängert.
5. Auswertungsphase im Münchener Eingewöhnungsmodell
Während des kompletten Eingewöhnungsprozesses gibt es immer wieder Gespräche zwischen Elternteil und Erzieher*innen, damit beide Parteien den aktuellen Stand der Eingewöhnung des Kindes besprechen können. Den Eltern werden hier wichtige Tipps mitgegeben, um den Übergang positiv mitzugestalten.
Nachdem die Eingewöhnung abgeschlossen ist, gibt es eine finale Auswertung. Auf dieser baut die folgende Zusammenarbeit zwischen Eltern und Erzieher*innen auf. Daher ist diese unerlässlich!
Die Dauer der Eingewöhnung nach dem Münchener Einegwöhnungsmodell beträgt zwischen vier und fünf Wochen.
Berliner vs. Münchener Eingewöhnungsmodell – Vor- und Nachteile
In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Punkte nochmals zusammengefasst:
Vorteile | Nachteile | |
Berliner Modell | – gilt als sehr zuverlässig, da es als eines der ältesten Eingewöhnungsmodelle häufig erprobt wurde
– guter Überblick der Phasen |
– Funktioniert nur schwer für Kinder, die die Kita nur zwei Tage die Woche besuchen. Hier muss die Eingewöhnungszeit deutlich länger angesetzt werden |
Münchener Modell | – Bezieht Eltern und Kinder aktiv in die Eingewöhnung ein
– Regelmäßige Elterngespräche erleichtern Einschätzung des Standes |
– lange und intensive Eingewöhnung, arbeitstätige Eltern könnten hier Probleme haben |
Welches Eingewöhnungsmodell ist Dein Favorit? Ob Münchener Eingewöhnungsmodell oder Berliner Eingewöhnungsmodell – beide können erfolgreich angewandt werden, wenn Du individuell auf die Bedürfnisse der Kinder und der Bezugspersonen eingehst. Nimm Dir Zeit und habe Geduld bei der Eingewöhnung, selbst wenn Du Rückschläge einstecken musst oder es länger als gedacht dauert. Wenn Du planvoll und überlegt an die Eingewöhnung herangehst, kannst Du zu einem sicheren Hafen für deine Kleinen werden!
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